Deutsch

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Vorgeschichte

Das Deutsche gehört zur Familie der indoeuropäischen Sprachen. Es ist daher verwandt u. a. mit dem Indischen,  dem  Iranischen,  dem  Griechischen,  den  slawischen  und  baltischen  Sprachen,  dem Lateinischen  einschließlich der  von diesem abgeleiteten romanischen Sprachen (u.  a. Rumänisch, Italienisch,  Französisch,  Spanisch,  Portugiesisch) sowie  mit  dem  Keltischen;  innerhalb  der indoeuropäischen  Sprachfamilie  gehört  das  Deutsche zusammen  mit  dem  Englischen,  dem Friesischen, dem Niederländischen, den skandinavischen Sprachen (außer Finnisch) und dem heute ausgestorbenen Gotischen zum Zweig der germanischen Sprachen. Diese unterscheiden sich von den anderen indoeuropäischen Sprachen durch eine Veränderung der Verschlusslaute, die wohl im ersten  vorchristlichen  Jahrtausend  stattgefunden  hat:  die  so  genannte  erste  oder  germanische Lautverschiebung  (vgl.  z.  B.  lat. pater,  ital. padre  vs.  engl. father,  dt. Vater;  grch. karpos  ›Frucht, Ernte‹,  lat. carpere  ›ernten,  pflücken‹  vs.  engl. harvest  ›Ernte‹,  dt. Herbst  ›Erntezeit‹).  Das Hochdeutsche  im  Unterschied  zu  den  übrigen  germanischen  Sprachen  und  Dialekten  (auch  zum Niederdeutschen)  bildete  sich durch  die so  genannte  zweite  oder  hochdeutsche Lautverschiebung heraus, die gegen Ende der Völkerwanderungszeit, wahrscheinlich zwischen dem fünften und dem achten nachchristlichen Jahrhundert stattfand und noch einmal das Konsonantensystem veränderte (vgl. z. B. engl. to vs. hochdt. zu; engl. apple vs. hochdt. Apfel; niederdt. dat vs. hochdt. das, niederdt. maken vs. hochdt. machen).

Das‘  Hochdeutsche,  das  durch  die  zweite  Lautverschiebung  entsteht,  darf man  sich  indessen keineswegs  als  einheitliche  Sprache  vorstellen.  Es ist  vielmehr  die  in  sich  durchaus  inhomogene Gesamtheit  einer  Reihe  von  Dialekten,  die  im  Übrigen  auch  nicht  Resultat  der  Aufspaltung  einer ursprünglichen  Einheit  sind,  sondern  von  Anfang  an eigenständige,  wenngleich  eng  verwandte Sprachen germanischer Stämme waren, die als solche vom Lautwandel betroffen wurden.

Die zweite Lautverschiebung änderte nicht nur nichts an der prinzipiellen Verschiedenheit der Mundarten, im Gegenteil, sie verfestigte sie. Geographisch gesehen breitete sie sich, ausgehend von den am weitesten südlich angesiedelten westgermanischen Stämmen, den Alemannen, Baiern und Langobarden, nach Norden hin aus, wobei ihre Auswirkungen jedoch immer geringer wurden. Dadurch kommt die bis heute im Wesentlichen erhalten gebliebene Gliederung der deutschen Dialektlandschaft zu Stande: Nur in den am weitesten südlich gesprochenen, den oberdeutschen Mundarten wurde die zweite Lautverschiebung vollständig durchgeführt; zum Mitteldeutschen hin wurde sie schrittweise immer unvollständiger übernommen, sodass in den einzelnen Gebieten unterschiedliche Konsonantensysteme anzutreffen sind. Während man im Alemannischen Apfel und das sagt, heißt es im Kurpfälzischen Appel und das, im Rheinland hingegen Appel und dat.

Die Frage, wie es zur Ausbreitung der zweiten Lautverschiebung von Süden nach Norden bei gleichzeitiger Abschwächung kam, ist nicht mit Sicherheit zu beantworten. Mutmaßen könnte man, dass  zwei  Faktoren  eine  Rolle  gespielt  haben:  Zum  einen  existierte  prinzipiell  ein  kulturelles Übergewicht  des  Südens  über  den  Norden,  das  sich  aus  der  jahrhundertelangen  römischen Kolonialisierung  und  Besiedelung  herleitet.  Durch  sie  standen  die  südlichen  Stämme  unter  dem Einfluss  des  Mittelmeerraums  und  konnten  für  die  nördlicheren  kulturelle  Vermittler-  und Vorbildfunktion übernehmen. Dass sie ihnen auch sprachlich als Vorbilder, als besser Sprechende galten,  ist  im  Mittelalter  immer  wieder  bezeugt.  Demgegenüber  ist  jedoch  nicht  nur  die  große räumliche Distanz zu berücksichtigen, durch welche die Ausbreitung des Lautwandels abgeschwächt worden sein dürfte, sondern auch die kulturelle Bedeutung, die den mittleren Stämmen, vor allem den Franken, in den Jahrhunderten der zweiten Lautverschiebung zukommt und die einer Vorbildfunktion südlicher Dialekte entgegengewirkt haben dürfte. Die Franken hatten es aufgrund ihrer politischen Vormachtstellung  nicht  nötig,  sich  durch  gezielte  Nachahmung  anderer  Mundarten  sprachlich aufzuwerten.

Historische Gliederung des Deutschen

Die Periodisierung der Geschichte einer Sprache ist nichts objektiv Vorgegebenes; vielmehr muss jeder  Sprachhistoriker  entscheiden  und  darüber  Aufschluss  geben  (zumindest  sich  selbst),  nach welchen Kriterien er die zeitliche Abfolge unterteilt. Es gibt prinzipiell zwei Möglichkeiten: Einerseits können  sprachinterne  Aspekte  wie  Laut-  und  Formenwandel,  Wortschatz-  und  Syntaxentwicklung herangezogen werden, andererseits ist es möglich, sich an sprachexterne Aspekte zu halten und die Relevanz kulturhistorischer Fakten, Phänomene und Prozesse für die Sprachgeschichte zu betonen. Zu nennen  wären beispielsweise: die Kulturpolitik Karls des Großen und die  Rolle der Klöster als Zentren der schriftlichen Überlieferung, die Entstehung des Rittertums, die deutsche Ostkolonisation, der Aufstieg der Städte, die Erfindung des Papiers und des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, die Reformation und der Dreißigjährige Krieg, die Weimarer Klassik und die Reichsgründung von 1871, schließlich das Ende des 2. Weltkrieges.

An  Eckdaten  mangelt  es  nicht,  und  die  Gliederungsmöglichkeiten  sind  entsprechend  vielfältig, zumal in der Regel sprachinterne und sprachexterne Kriterien kombiniert werden. Gleichwohl haben einige Periodisierungsvorschläge in der Forschung eine breitere Anhängerschaft gefunden als andere. So  galt  beispielsweise  lange  Zeit  der  Ansatz  Jacob Grimms  als  Konsens,  der  drei  Epochen  der deutschen Sprachgeschichte – Althochdeutsch (600 bis 1100), Mittelhochdeutsch (1100 bis 1450) und Neuhochdeutsch (seit 1450) – postulierte (so 1854 im Vorwort zum Deutschen  Wörterbuch). Für die Frühzeit  orientierte  sich  Grimm  hauptsächlich  an  lauthistorischen  Phänomenen.  Als  Beginn  des Althochdeutschen nahm er die zweite Lautverschiebung an; den Übergang zum Mittelhochdeutschen markierte für ihn unter anderem die Abschwächung der Nebentonsilben (während beispielsweise der althochdeutsche Nominativ Plural von gast ›Gast‹ gesti, der Genitiv Plural gestio lautete, wurde im Mittelhochdeutschen  aus  beiden  Flexionsendungen  ein  unbetontes -e: geste.)  Den  Übergang  zum Neuhochdeutschen sieht Grimm dagegen in der Erfindung des Buchdrucks.

Heute  hat  sich,  abgesehen  von  einigen  gewichtigen  Ausnahmen,  die  eigene  Periodisierungen vertreten,  ein  modifiziertes,  auf  den  Literaturhistoriker  Wilhelm  Scherer  zurückgehendes Gliederungsschema durchgesetzt. Es unterscheidet  vier Epochen:  Althochdeutsch (ca. 750 bis ca. 1050), Mittelhochdeutsch (ca. 1050 bis ca. 1350), Frühneuhochdeutsch (ca. 1350 bis ca. 1650) und Neuhochdeutsch (seit ca. 1650). Einige Autoren, z. B. Hans Eggers, schlagen zudem den Ansatz einer eigenständigen Epoche nach 1950 vor.

Althochdeutsch

Als Beginn der deutschen Sprachgeschichte im engeren Sinne gelten die Anfänge der schriftlichen Überlieferung in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts. Damit werden etwa anderthalb Jahrhunderte aus  der  Betrachtung  ausgeklammert,  in  denen  vermutlich  die  zweite Lautverschiebung  schon  erfolgt  war  und  also  statt  Germanisch  bereits Deutsch  gesprochen  wurde:  Aus  dieser  Zeit  gibt  es  keine  deutschen Textzeugnisse;  über  sie  sind  daher  keine  sicheren  Erkenntnisse  zu gewinnen.

Einen wichtigen Anstoß zum Verfassen deutschsprachiger Texte gab die Reichspolitik der Karolinger, vor allem Karls des Großen. Zur Verwirklichung von  dessen  Idee  eines  imperium  christianum  gehörte eine  umfassend angelegte Kulturpolitik, die sogenannte karolingische Renaissance, die auf eine  Verschmelzung  lateinisch-christlicher  und  germanischer  Traditionen zielte und unter anderem eine Aufwertung der Volkssprache gegenüber der Gelehrtensprache Latein mit sich brachte. Karls Biograph Einhard berichtet, dass der König unter anderem eine Sammlung germanischer Literatur, die Einführung fränkischer Namen für die Winde und Monate und den Beginn einer ‚Grammatik  seiner  Muttersprache‘  veranlasst  habe  (inchoavit   et grammaticam  patrii  sermonis).  Zudem  ordnete  er  an,  das  Volk  in  seiner eigenen Sprache mit den christlichen Glaubensinhalten vertraut zu machen, sodass das Übersetzen bestimmter kirchlicher Texte nötig wurde.

Einen  Eindruck  von  der  Sprachwirklichkeit  des  Althochdeutschen  und  vor  allem  seiner  vom heutigen Deutsch erheblich abweichenden ausdrucksseitigen Gestalt mag ein Stück aus dem Tatian gewähren. Dabei handelt es sich um die Übersetzung der lateinischen Version einer von dem Syrer Tatian im 2. Jahrhundert verfassten so genannten Evangelienharmonie, also einer Zusammenfassung der vier Evangelien. Hier der Anfang des Johannesevangeliums:

in annaginne uuas uuort inti thaz uuort uuas mit gote inti got selbo uuas thaz uuort. Thaz uuas in annaginne mit gote. Alliu thuruh thaz vvurdun gitán inti ûzzan sîn ni uuas uuiht gitanes thaz  thar gitán uuas. Thaz uuas in imo lîb inti thaz lîb uuas lioht manno. Inti thaz lioht in finstarnessin liuhta inti finstarnessi thaz ni bigriffun. (Wörtlich: In Anbeginn war Wort, und das Wort  war  mit [=  bei]  Gott,  und  Gott  selbst  war  das Wort.  Das war  in  Anbeginn  mit  Gott. Alle  [Dinge]  wurden  durch das[selbe] getan [= gemacht], und außer seiner [= ohne dasselbe] war nicht etwas [= nichts] Getanes, das da [= damals] getan war. Das [= es] war Leben in ihm, und das Leben war Licht der Menschen. Und das Licht leuchtete in Finsternissen, und [die] Finsternisse begriffen [= ergriffen] das[selbe] nicht.)

Der  althochdeutsche  Tatian  wurde  wahrscheinlich  um 830  auf  Veranlassung  des  Abts  Hrabanus Maurus im Kloster Fulda niedergeschrieben. Er kann, wenngleich er üblicherweise als klassisches Zeugnis des Althochdeutschen gehandhabt und beispielsweise in universitären Althochdeutschkursen gern als Textgrundlage verwendet wird, doch nicht für das Althochdeutsche schlechthin stehen, denn ‘das  Althochdeutsche  schlechthin‘  existiert  nicht. Es  ist  auch  am  Ende  des  8.  Jahrhunderts  alles andere als eine einheitliche Sprache: Alle überlieferten Texte liegen im Schreibdialekt des Klosters vor, in dem sie jeweils aufgezeichnet wurden. Schreiben konnten damals ja fast ausschließlich die Geistlichen. Die aber kommunizierten untereinander auf Latein; die Volkssprache brauchten sie nur zu missionarischen  und  seelsorgerischen  Zwecken,  und  hier  waren  selbstverständlich  Dialekte  das geeignete Medium (auch wenn der Schreibdialekt eines Klosters oft durchaus nicht dem Dialekt der Region entsprach, in der es lag). Zur Herausbildung einer überregionalen Ausgleichssprache  bestand  keine  Notwendigkeit.  Zudem  kam  in unmittelbarer  zeitlicher  Nachfolge  der  karolingischen  Literaturblüte,  unter den  sächsischen  Kaisern  und  Königen  (seit  919),  die  volkssprachliche Literaturproduktion  zum  Erliegen  und  verstummte  für  einige  Jahrzehnte völlig.  In  Anlehnung  an  den  Namen  Otto,  den  nacheinander  drei  Kaiser trugen  (Otto  I.  bis  Otto  III.),  spricht  man  von  der  “ottonischen  Lücke”: Geschrieben wurde wieder ausschließlich auf Latein. Ende des 10., Anfang des  11.  Jahrhunderts  waren  die  früher  erzielten  Leistungen  in  deutscher Sprache  und  Literatur  vergessen.  Abt  Notker  III.  von  St.  Gallen,  der bedeutendste  Autor  des  Spätalthochdeutschen,  musste  bei  seinen Sprachbemühungen fast in jeder Hinsicht wieder von vorne anfangen; er hielt  das  Schreiben  auf  Deutsch  für  etwas  ganz  Neuartiges  (rem  paene inusitatam) und entschuldigte sich dafür förmlich bei einem Bischof.

Die Unterbrechung der schriftsprachlichen Kontinuität trug zweifellos mit dazu bei, das Entstehen einer überregionalen Ausgleichssprache in althochdeutscher Zeit zu verhindern. Aber nicht nur von Seiten der Gelehrten, auch beim Volk gab es offenbar keine derartigen Bestrebungen. Das Volk hatte in  sprachlicher  Hinsicht  durchaus  kein  Einheitsbewusstsein.  Nicht  nur  dass  das  Reich  Karls  des
Großen romanischsprachige Bevölkerung mitumfasste, die in ihrer sprachlichen Eigenständigkeit voll akzeptiert  wurde:  Die  germanischsprachigen  Stämme  brauchten  auch  unter  sich  lange,  um  ein sprachliches  Zusammengehörigkeitsgefühl  zu  entwickeln,  wie  die  Geschichte  des  Wortes deutschzeigt.

Das  Wort  geht  zurück  auf  althochdeutsch diutisc,  mittelhochdeutsch diutsch,  das  sich  etymo-logisch auf das Substantiv ahd. diot, diet (›Volk, Volksstamm‹) zurückführen lässt. Man kann hierzu die germanische Vorform theoda und ebenso zu diutisc das Adjektiv theodisk erschließen, Wörter, die indessen nicht überliefert sind. Althochdeutsch diutisc ist erst ab Ende des 10. Jahrhunderts schriftlich bezeugt.

Vergleichsweise gut belegt ist seit Ende des 8. Jahrhunderts die mittellateinische Entsprechung theodiscus, die allerdings lange nicht ›deutsch‹ bedeutet, sondern ›germanisch‹ bzw. ›volkssprachlich (im Gegensatz zum Latein)‹, wobei das Wort in allen Belegen auf Sprachen bezogen ist, die heute zur germanischen Sprachfamilie gerechnet werden. Bereits der älteste theodiscus-Beleg aus dem Jahre 786 zeigt dies: Der Bischof Georg von Ostia berichtet in einem Brief an Papst Hadrian I. über eine Synode in England, deren Beschlüsse “tam latine quam teodisce”, also sowohl lateinisch wie auch ‘theodisk‘  verlesen  worden  seien.  Dieses  ‘Theodisk‘  kann  in  Anbetracht  des  Landes,  in  dem  die Synode  stattfand,  nicht  Althochdeutsch,  es  muss  Altenglisch  gewesen  sein.   Noch  Jahrhunderte später, im Mittelhochdeutschen, als das Wort deutsch längst ›deutsch‹ bedeutet, wird dadurch nur sprachliche  Gemeinsamkeit,  keine  sprachliche  Einheit  zum  Ausdruck  gebracht:  Wo  es  sich  auf Sprache bezieht, wird es ausschließlich zur Unterscheidung von fremden Sprachen (v. a. Latein und Altfranzösisch) verwendet. Untereinander bezeichnen sich die Autoren nicht als ‘deutsch‘, sondern als ‘fränkisch‘, ‘bairisch‘ usw. Schreibende. Ein bekanntes Beispiel ist Hugo von Trimberg, der in seinem Roman Der  Renner ‘Deutsch‘ als Sprache nur dort kennt, wo er es von anderen, fremden Sprachen abgrenzt:

Bêheim, Ungern und Lampartenhouwent niht mit tiutscher barten,Franzois, Walhe ['Welsche‘, hier: ›Italiener‹] und Engellant,Norweye, Yberne sint unbekantan ir sprâche tiutschen liuten;nieman kann ouch wol bediutenkriechisch, jüdisch und heidenisch,syrisch, windisch, kaldêisch.

An  anderer  Stelle  hebt  Hugo  –  und  zwar  ohne  Verwendung  des  Wortes deutsch  –  die  Unter-schiedlichkeit der Einzeldialekte hervor:

Swâben ir wörter spaltent,die Franken ein teil si valtentdie Beier si zezerrentdie Düringe si ûf sperrentdie Sahsen si bezückent,ie Rînliute si verdrückent,die Wetereiber [›Wetterauer‹] si würgentdie Mîsener si vol schürgent,Egerlant si swenkent,Oesterrîche si schrenkent,Stîrlant si baz lenkent,Kernde ein teil si senkent.

Mittelhochdeutsch

Die sprachgeschichtliche Epoche des Mittelhochdeutschen wird, wie dargelegt, heute gewöhnlich von der  zweiten  Hälfte  des  11.  Jahrhunderts  bis  etwa  1350  datiert.  Innerhalb  dieses  Zeitraums  unter-scheidet  man  das  Frühmittelhochdeutsche  (bis  1170/80),  das  höfische  oder  klassische  Mittel-hochdeutsche (bis um 1250) und das Spätmittelhochdeutsche.

Sprachliche Kriterien für eine genaue Datierung des Anfangs der mittelhochdeutschen Periode können kaum angegeben werden. Bestimmte Phänomene des Lautwandels, die hier gern ins Feld geführt werden, sind in längerfristige Entwicklungen eingebunden. So finden sich Anzeichen für die Abschwächung  der  unbetonten  Nebensilbenvokale a, i, o  und u  (Lang-  wie  Kurzvokale)  zu unbetontem e  (z.  B.  althochdeutsch salbôn  zu  mittelhochdeutsch salben, gibirgi  zu  mittelhochdt. gebirge) bereits im frühen Althochdeutschen, aber ebenso auch noch im späten Mittelhochdeutschen (in einigen höchstalemannischen Mundarten in den Gebirgstälern um den Monte Rosa sind die vollen Endsilbenvokale,  die  das  Althochdeutsche  charakterisierten,  sogar  bis  in  die  Gegenwart  erhalten geblieben, so zum Beispiel in der  Tag, Plural die  Taga, hingegen neuhochdeutsch: die  Tage). Diese extremen Ausnahmen liegen aber im Bereich der Mündlichkeit; in der Schriftlichkeit ist nach einem Übergangszeitraum  von  etwa  der  Mitte  des  11.  Jahrhunderts  bis  etwa  zur  Mitte  oder  zur  zweiten Hartmann von Aue Hälfte  des  12.  Jahrhunderts  das  Schreibsystem  des  Mittelhochdeutschen  im  Großen  und  Ganzen vollständig entwickelt.

Der  Beginn  einer  neuen  Epoche  der  deutschen  Sprachgeschichte  zeigt  sich  weniger  anhand sprachlicher  als  anhand  kulturhistorischer,  also  außersprachlicher  Phänomene,  die  sich  auf  die Sprache  auswirken.  Seit  der  Mitte  des  11.  Jahrhunderts  vollzieht sich ein Umbruch der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten,  was natürlich auch den kulturellen  Bereich stark beeinflusst. Ein besonderes Kennzeichen der Zeit ist die Ablösung der Kirche als wichtigster Bildungs- und Kulturträgerin. Sie hat ihre direk-ten  Ursachen  vor  allem  in  zwei  soziologisch-politischen  Entwick-lungen:  in  der  Entstehung  einer  neuen  gesellschaftlichen  Schicht, des Dienstadels, und in der wachsenden politischen Bedeutung des Hochadels.

Seit der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts werden die Ministeria-len, ursprünglich Unfreie, in größerer Zahl zu Kriegs- und Hofdienst herangezogen und zu diesen Zwecken mit Dienstlehen ausgestattet. Durch die Constitutio de feudis von 1037, eine Verordnung, mit der König Konrad II. die Erblichkeit der kleinen Lehen durchsetzte, steigen sie sozial auf und  zeigen –  wohl im Zusammenhang damit – Interesse an Bildung, oft auf literarischem Gebiet.  Sie  werden  zur Trägerschicht einer neuen, der so genannten höfischen Kultur, deren Höhepunkt in die Stauferzeit fällt und deren bekannteste Ausprägungen sich im Minne- und im Ritterideal finden. Den Prototyp des‚ gelehrten Ritters‘ verkörpert der Ministeriale Hartmann von Aue.

Eine  womöglich  noch  wichtigere Rolle spielt die Tatsache, dass seit dem 12. Jahrhundert die Adels- und Fürstensitze den Königshof als wichtigstes literarisches Zentrum außerhalb der Klöster ablösen. Ihre zunehmende Unabhängigkeit gegenüber dem Reich lässt bei den Territorialfürsten ein Repräsentationsbedürfnis  entstehen,  das  sich  vorwiegend  in  Bautätigkeit  und  literarischem Mäzenatentum äußert. Auf diese Weise erfährt die deutschsprachige Literaturproduktion, die nach der spätalthochdeutschen  Überlieferungslücke  in  der  2. Hälfte  des  11.  Jahrhunderts  wieder  einsetzt, bedeutende Förderung. Zuerst dominieren in ihr noch religiöse Themen, und auch die Autoren der vorhöfischen  Zeit  sind  oft  Geistliche  (z.  B.  der  Pfaffe  Konrad  mit  dem  Rolandslied  und  der  Pfaffe Lamprecht  mit  dem  Alexanderroman).  Zur  höfischen  Epoche  hin,  die  ihren  Höhepunkt  in  den Jahrzehnten von ca. 1190 bis ca. 1220 erreicht, setzt sich dann allerdings das kulturell aufstrebende Rittertum schnell durch.

Mit  dem  Beginn  der  höfischen  Dichtung  entwickeln  sich  verschiedene  Literaturidiome  von regional-dialektaler Prägung, z. B. am Mittelrhein und im bairischen Raum. Überregionale Züge verrät allein  die  so  genannte  hochhöfische  Dichtersprache.  Ihr  geographisches  Ausgangsgebiet  ist  der deutsche Südwesten, der Rhein-Main-Donau-Raum; im Gegensatz zu den anderen Literatursprachen treten in ihr die dialektalen Besonderheiten so weit zurück, dass man allein aus der Sprache eines Dichters nicht mehr auf seine Herkunft schließen kann.

Die hochhöfische Dichtersprache erlangte Vorbildfunktion bis in den niederdeutschen Sprachraum hinein. Ihrer bedienten sich die ‘Klassiker‘ Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach, Gottfried von Straßburg  und  Walther  von  der  Vogelweide  und  auch  der  anonyme  Verfasser  des  folgenden bekannten Liebesliedes:

Du bist mîn,

ich bin dîn,

des solt du gewiz sîn.

du bist beslozzen

in mînem herzen,

verlorn ist das sluzzelîn:

du muost ouch immer drinne sîn.

Selbst Autoren  wie der (Nieder)sachse Albrecht  von Halberstadt  und  der Thüringer Ebernand von Erfurt, die sich selbst eine unvollkommene Beherrschung der hochhöfischen Dichtersprache attestieren und in diesem Zusammenhang Rechtfertigungsgründe vorbringen, bezeugen eben dadurch ein Bewusstsein des sprachlichen Vorbildes.

Allerdings  ist  die  Bedeutung  der  Dichtersprache  als  einer  ‘überlandschaftlichen  Ausgleichs-sprache‘  von  hohem  Einheitsgrad  oft  überschätzt  worden.  Insbesondere  Vorstellungen,  die  davon ausgehen,  sie  sei  in  der  kulturell  hochstehenden  Oberschicht  oder  geistigen  Elite  als  Umgangs-sprache tatsächlich gesprochen worden, laufen den Tatsachen ganz offensichtlich zuwider. Es han-delte  sich  um  eine  fast  reine  Dichtungssprache  –  ansatzweise  (im  13.  Jahrhundert  im  südwest-deutschen Raum) auch um eine Urkundensprache –, die zumal in ihrer idealen Form kaum jemals
Johannes Gutenberg tatsächlich  realisiert  wurde.  Diesen  Anschein  vermitteln  lediglich  die  normalisierten  Textausgaben unserer  Zeit:  Nach  der  im  19.  Jahrhundert  von  Karl Lachmann  aus  der  klassischen  Philologie übernommenen  textkritischen  Methode  präsentieren  sie  Idealtexte,  die  aus  dem  Vergleich verschiedener  Handschriften  hergestellt  sind  und  mit  der  überlieferten  sprachlichen  Realität  des Mittelhochdeutschen nicht übereinstimmen. Sie besteht, ebenso wie die des Althochdeutschen, in der Vielzahl der Dialekte.

Fonte: http://85.214.96.74:8080/baerneu/beitraege/sprachgeschichte.pdf

Alphabet

https://www.youtube.com/watch?v=zxQXEyMMC0E

Histórias para crianças

https://www.youtube.com/watch?v=_SoslVw3ur4

https://www.youtube.com/watch?v=VtdTPPw5WSA&list=PL4_9K3vkNetKtQihJBuTwU_2lbcd-yPXP

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